INP geht mit Plasmaverfahren neue Wege in der Wasseraufbereitung

Ob Arzneimittelrückstände, Pflanzenschutzmittel oder PFAS – viele dieser sogenannten anthropogenen Schadstoffe stellen konventionelle Reinigungstechnologien vor große Herausforderungen. Das langjährige GWP-Mitglied Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP) setzt hier auf innovative Plasmaverfahren, die Schadstoffe nicht nur zurückhalten, sondern direkt abbauen. Im Interview erklärt Prof. Dr. Jürgen Kolb, wie das Verfahren funktioniert, wo es heute bereits eingesetzt wird – und welche Rolle es künftig in der nachhaltigen Wasserwirtschaft spielen könnte.

Prof. Dr. Jürgen Kolb, Forschungsschwerpunktleiter „Landwirtschaft, Bioökonomie, Umwelt“ am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie, Foto: INP.

Herr Prof. Kolb, das INP hebt die Bedeutung von Plasmaverfahren in der Wasseraufbereitung und dem Schadstoffabbau hervor, wie schätzen Sie das Potenzial von Plasma in der Behandlung schwer abbaubarer Stoffe und im Vergleich zu konventionellen Systemen ein?

Nicht nur aus unserer Sicht, auch als Ergebnis der Arbeit von Kollegen weltweit, sind Plasmaverfahren schon lange eine Alternative, um Stoffe abzubauen, die auf andere, etablierte Methoden nur schlecht ansprechen. Das gilt für die Abluftreinigung und für die Wasseraufbereitung als Methode um Keime und Viren aber v. a. auch anthropogene Verunreinigungen, wie beispielsweise Arzneimittelrückstände, Pflanzenschutzmittel und inzwischen auch perfluorierte Kohlenwasserstoffe, den sogenannten „Ewigkeitschemikalien“ abzubauen.

Der Vorteil der Plasmaverfahren ist, dass Schadstoffe tatsächlich aufgebrochen und abgebaut werden, anstatt sie nur in Filtern zurückzuhalten. Dies teilen sie mit der Ozonung und anderen fortschrittlichen Oxidationsverfahren (AOPs). Doch wirkt Ozon schlecht gegen sehr beständige Verbindungen, wie Röntgenkontrastmittel, während die AOPs das deutlich höhere Oxidationspotential von Hydroxylradikalen nutzen.

Mit einem Plasma werden diese Radikale durch eine elektrische Entladung direkt in der Wechselwirkung mit Wasser gebildet. Außer Strom sind keine weiteren Betriebsmittel nötig. So kann auf Zusatzstoffe wie Wasserstoffperoxid, Katalysatoren wie Titandioxid, UV-Bestrahlung oder aufwendig Elektrodenbeschichtungen verzichtet werden. Das ist einer der wesentlichen Vorteile der Technologie, die sich dadurch für einen bedarfsgerechten Einsatz bzw. Steuerung anbietet.

Wie tragen Ihre Plasmaverfahren zur Reduktion von Wasserverunreinigungen und zur Wiederaufbereitung von Prozesswasser bei? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den nachhaltigen Umgang mit Wasserressourcen zu fördern?

Verschiedene Methoden für die Anwendung von Plasmen zur Behandlung und Aufbereitung von Wasser. Plasmen können insbesondere durch geeignete Elektrodenkonfigurationen und Betriebsparameter auch direkt im Wasser bzw. einem Wassersprühnebel eingesetzt werden.

Neben dem Ziel die Einleitung von Schadstoffen in die Umwelt zu verringern, ist die erfolgreiche Wasserrückführung in die Produktionsprozesse wichtig. Unsere Schwerpunkte liegen gegenwärtig in der Lebensmittelverarbeitung und in der landwirtschaftlichen Produktion. Oft werden dafür große Mengen an Frischwasser benötigt, um hygienisch einwandfreie Produkte zu garantieren. Die dazu benötigten Wassermengen werden nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen zunehmend kritisch hinterfragt. Den betroffenen, oft kleineren Unternehmen, mangelt es meist an Erfahrung eine Wasseraufbereitung und damit eine Wasserrückgewinnung zu betreiben.

Viele bereits existierende Lösungen schrecken durch das nötige Expertenwissen für den Betrieb ab oder sind für die oft mit Mikroorganismen behafteten und zur Biofilmbildung neigenden Prozessabwässer nicht geeignet. Plasmasysteme können hier, zusammen mit einfachen mechanischen Filtern, eine Lösung bieten. Zudem sind sie gegen Schadstoffe und Keime gleichzeitig wirksam. Allerdings müssen die Verfahren an die jeweiligen Bedingungen und Anforderungen angepasst werden. Gute Beispiele, für die wir Lösungen erarbeitet haben, sind Waschprozesse, beispielsweise für abgepackten Salat. Hier wird durch die Verwendung des mit Plasma behandelten Wassers ein sichereres und haltbareres Produkt erzielt. Weitere Anwendungen, die wir verfolgen, sind die Wasserkreislaufführung in hydroponischen Anbausystemen (Vertical Farming) und in Aquakulturanlagen, die bisher einen hohen täglichen Frischwasserbedarf haben. Eine Verringerung dieses Bedarfs würde unmittelbar einen nachhaltigeren Betrieb bedeuten.

Die Möglichkeiten sind jedoch nicht nur auf die Lebensmittelproduktion und –verarbeitung beschränkt. Vielversprechend ist beispielsweise auch der Einsatz in Wäschereien.

Können Sie uns ein Beispiel nennen, in dem INP-Plasmatechnologien zur erfolgreichen Abwasserbehandlung geführt haben? Wie tragen Ihre Technologien dazu bei, die Prozesse zu optimieren und dabei Umweltbelastungen zu reduzieren?

Wasser wird zur Behandlung durch die Elektrodenkonfiguration zur Erzeugung des Plasmas gesprüht.

Die Beispiele zeigen den besten Einsatz der Plasmatechnologie dort, wo die Abwasserbelastungen entstehen, also dezentral an den ‘hot spots’. Ein erfolgreiches Beispiel für eine Plasmabehandlung ist die Behandlung von Krankenhausabwässern, um die Verbreitung antibiotikaresistenter Mikroorganismen zu verhindern. Dabei werden mit Plasma Keime bekämpft und die Antibiotikarückstände selbst abgebaut. Für das Abwasser eines Gesamtversorgers führte die Behandlung zu einer vollständigen Inaktivierung der untersuchten nativen Belastung mit E. coli, hier waren keine Bakterien mehr auf den Agarplatten nachzuweisen. Antibiotika konnten um bis zu 80 Prozent reduziert werden, ohne bisher die Wirksamkeit oder Energieeffizienz zu optimieren – das wollen wir in künftigen Untersuchungen verbessern. Ziel ist es, dass Krankenhäuser vorgereinigte, belastungsarme Abwässer an die kommunalen Kläranlagen weitergeben können. Neben Antibiotika sind auch Röntgenkontrastmittel und AOX-Werte problematisch für Kläranlagen.

Gute Erfolge haben wir auch mit dem Abbau von Agrarchemikalien erzielt. So kann Glyphosat, wie auch andere untersuchte Herbizide und Fungizide, sehr gut mit einem Plasma abgebaut werden. Gerade für Substanzen, die aufgrund der Selektivität von Ozon schlecht auf Ozonung ansprechen, ist der Einsatz von Plasma auch eine wirtschaftlich interessante Alternative. Die Identifizierung des besten Einsatzortes für die Anlagen ist jedoch herausfordernd. Deshalb konzentrieren wir uns in Zusammenarbeit mit GWP-Mitgliedsunternehmen auf die Rückführung von Prozesswasser, indem wir vorhandene Technologien mit Plasmabehandlungen kombinieren. Generell versuchen wir die Belastungen für kommunale Kläranlagen durch das Plasmaverfahren zu reduzieren. Das Verfahren könnte letztendlich Bestandteil einer vierten Reinigungsstufe werden, wobei die größere Wassermenge und die starke Verdünnung eine Herausforderung für die Skalierung und Leistungsfähigkeit der Systeme darstellt.

In welchen internationalen Märkten sehen Sie das größte Potenzial für den Einsatz Ihrer Technologien?

Den größten Nutzen sehen wir für die Plasmatechnologie in Regionen, in denen Wasser als Ressource einen großen Stellenwert einnimmt – also knapp und teuer ist – womit eine Aufbereitung und Rückführung äußerst interessant ist. Oft sind das auch Regionen, in denen Strom kostengünstiger ist als in Deutschland bzw. er gut durch erneuerbare Quellen bereitgestellt werden kann. Das spielt einem weiteren Vorteil der Technologie in die Hände, denn außer Strom werden keine weiteren Betriebsmittel benötigt. So entfallen auch logistische Anforderungen im Betrieb, wie etwa die Bereitstellung von Wasserstoffperoxid. So kann eine relativ einfache Wasserbehandlung angeboten werden, die außer dem Wissen um die Bedienung einer elektrischen Anlage kein weiteres Expertenwissen voraussetzt, ganz im Gegensatz etwa zur biologischen Klärung. Dazu kommt, dass die physikalische Behandlung gegenüber klimatischen Bedingungen unempfindlich ist, wobei die Leitungen natürlich nicht einfrieren sollten.

Das derzeit interessanteste Anwendungsfeld haben wir tatsächlich für die Wasseraufbereitung in geschlossenen landwirtschaftlichen Anbausystemen gefunden. Neben Gewächshäusern sind das vorrangig Anlagen für den vertikalen Nutzpflanzenanbau (‘vertical farming‘). Hierfür sehen wir weltweit schnell wachsende Marktanteile. Als Betriebsmittel gerät Wasser dabei immer stärker in den Fokus und damit auch Methoden zur Wasseraufbereitung und –rückführung.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von Plasmaverfahren in der Wasseraufbereitung und Abwasserbehandlung?

Als Forschungsinstitut, das gemeinnützig organisiert ist, entwickeln und validieren wir Lösungen, die mit Plasmaverfahren möglich sind. Wir gehen damit aber nicht selber oder gar alleine in Märkte. Hier bauen wir auf die Zusammenarbeit mit Anwendern und Unternehmen, die die Anlagen letztendlich in ihr Portfolio aufnehmen und betreiben. Deshalb sind diese Kooperationen ausgesprochen wichtig für uns.

Corona Reactor Streamer: Mit Hochspannungspulsen direkt im Wasser erzeugte Plasmaentladung.

Die größte Herausforderung ist die Aufskalierung zu relevanten Behandlungsvolumina und der Betrieb unter realen Bedingungen für verschiedene Anwendungsfelder. Neben der Wirksamkeit geht es dabei darum wirtschaftliche Kenndaten zu ermitteln. Das ist nur möglich mit Systemen von ausreichender Größe und Reifegrad. Für die Wasseraufbereitung stehen wir gerade an diesem Punkt und versuchen, die für eine Überführung in die Praxis interessierten Partner und Mittel zu identifizieren. Wir unterstützen Firmen auch in Fragen bezüglich Zulassungsvoraussetzungen, wie sie etwa für den Einsatz im Lebensmittelbereich oder der Landwirtschaft auftreten. Wir sind zuversichtlich, dass es uns aufgrund der Vorteile, die das Plasma hat, gelingen wird, Lösungen zu entwickeln, die wir letztendlich im Einsatz sehen werden. Ein gutes Beispiel für eine solche Entwicklung ist die Ozonung selbst, wobei die Erzeugung von Ozon ja ebenfalls auf einem Plasmaverfahren beruht. Wenn man sich den ersten Versuchsaufbau von Werner von Siemens dazu ansieht, hätte man damals wohl kaum vermutet, dass fast 150 Jahre später, die Ozonung mal zu einem Standardverfahren in der Trinkwasseraufbereitung gehört. Wir hoffen natürlich nicht, dass wir erst noch ebenso lange daran arbeiten müssen, unsere Methoden in die Anwendung zu bringen.

Welche Erwartungen haben Sie als langjähriges GWP-Mitglied im Netzwerk bereits gemacht und worin sehen Sie den Mehrwert Ihrer Mitgliedschaft? Wie möchten Sie sich weiterhin im GWP-Netzwerk einbringen?

Präsenz des INP am GWP-Gemeinschaftsstand auf der IFAT Munich 2024, Foto: GWP.

Der wichtigste Mehrwert für uns als Forschungsinstitut, das anwendungsorientierte Forschung betreibt, ist die Gewinnung von Projektpartnern aus der Praxis. Als GWP-Mitglied haben wir viele unserer Projektpartner durch die Teilnahme an der IFAT Munich und den Jahreskonferenzen gewinnen können. Viele unserer Partner sind ebenfalls GWP-Mitglieder. Ebenso profitieren wir von durch GWP bereitgestellten Informationen zu aktuellen Entwicklungen und den Publikationen.

Wir beteiligen uns in den Arbeitskreisen Betrieb und Bildung, Industriewasserwirtschaft und Landwirtschaftliche Bewässerung und schätzen diese Möglichkeit zum Austausch.

Wir wollen uns auch 2026 wieder am GWP-Gemeinschaftsstand auf der IFAT beteiligen. In diesem Jahr treten wir als Programm-Partner auf der GWP Jahreskonferenz auf – und freuen uns bereits auf viele bekannte und neue Kontakte – und unsere Mitarbeit in den AKs setzen wir fort und hoffen, noch viele weitere Projekte mit anderen GWP-Mitgliedern auf den Weg zu bringen.