„Die Vorstandskolumne“ ist eine Rubrik, in der Sie aus der Perspektive eines GWP-Vorstandsmitglieds über relevante Themen aus dem Wassersektor informiert werden. Die 19. Ausgabe der Reihe übernimmt Michael Drechsler.
Ich muss es zugeben: Mein Kleiderschrank quillt über, schon wieder. Gefühlt vorletzten Monat habe ich erst ausgemistet. Dabei benutze ich fast nichts, was im Schrank ist. Die aktuelle „Kollektion“ dessen, was ich zurzeit trage, hängt außerhalb des Schrankes auf einer Kleiderstange oder ist in der Wäsche. Von allem einfach zu viel.
Früher gab es das (zumindest bei mir) nicht. Als Kind, ich bin Jahrgang 1964, hatten mein Zwillingsbruder Tom und ich keine 20 Paar Schuhe, die kurze Lederhose war Sommerbekleidung für viele Monate und die Jeans (oder Nietenhose, wie meine Mutter zu sagen pflegte) wurden mit Flicken zum Aufbügeln repariert und die Hosenbeine bei Bedarf verlängert.
Natürlich war in den „guten alten Zeiten“ nicht alles besser als heute, ganz und gar nicht. Man denke nur an die Zahl der Verkehrstoten Mitte der 1970er Jahre, die mehr als zehnmal höher war als heute. Oder an die Luft- und Wasserverschmutzung, die vor 50 Jahren noch bedeutend höher waren. Aber eine Rückbesinnung auf die „alten Werte“ ist zu erkennen. Werte, die bereits als überholt galten. In Zeiten politischer Unsicherheit, des Klimawandels und hoher Inflation wird es wieder wichtig, mehr auf Qualität, Sicherheit und Nachhaltigkeit zu setzen als auf kurzfristige, scheinbar günstige Lösungen.
Was hat das Ganze mit der Wasserwirtschaft zu tun?
Der letzte Sommer hat uns vor Augen geführt, wie wichtig das Thema Versorgungssicherheit ist. Trinkwasser muss für öffentliche Belange, für jede und jeden in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hat dazu zusammen mit dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) und dem Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bereits im vergangenen Jahr ein Maßnahmenpaket mit zehn Vorschlägen veröffentlicht. Mit Blick auf die Welt haben nach aktuellen Zahlen von UNICEF zum Weltwassertag 2022 rund 2,2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Rund 785 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Dabei ist das Recht auf „einwandfreies und sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung“ ein Menschenrecht (Resolution Vereinten Nationen, 2010).
Während Deutschland relativ fortschrittlich im Umsetzen von Verbesserungen für die Umwelt und die Reinhaltung von Seen und Fließgewässern ist, gibt es schon bei unseren unmittelbaren Nachbarn noch ein anderes Umweltbewusstsein, wie ich auf meinen letzten Dienstreisen ins europäische Ausland häufig beobachten konnte.
Beispielsweise wurde beim Frühstück im Hotel von vielen Gästen der Plastikbecher einer Porzellantasse für Kaffee vorgezogen, auch wenn man am Tisch platznahm. Und oft gab es kein kompostierbares oder wieder verwendbares Geschirr und Besteck. Hier hat es das Marketing offenbar geschafft, beim Wegwerfartikel einen scheinbaren Mehrwert gegenüber mehrfach nutzbarem Geschirr zu generieren.
Umgedacht haben dagegen die meisten Kommunen und Betreiber. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie hat dafür gesorgt, dass Missstände nach und nach aufgearbeitet wurden, das ist inzwischen gut sichtbar. So geht Abwasser nicht mehr ohne Behandlung in die Gewässer und durchdachte Müllkonzept lassen wilde Müllkippen verschwinden. Auf meinen Reisen konnte ich auch feststellen, dass gerade deutsche Technik im europäischen Ausland gefragt ist. Die Gründe hierfür sind mit Sicherheit Qualität, Langlebigkeit und damit Nachhaltigkeit. Der italienische Partner von UFT, meines Unternehmens, grenzt sich gar mit Geräten und Maschinen aus deutscher Produktion auf dem italienischen Markt vom Wettbewerb ab, macht also nicht mit bei billig-billig – und das mit Erfolg!
Was bedeutet das für German Water Partnership?
German Water Partnership leistet als Verband der international tätigen deutschen Wasserwirtschaft einen unglaublich wichtigen Beitrag. Durch die internationale Repräsentation der GWP-Mitglieder – mit ihrem Know-how und ihren langlebigen und innovativen Technologien „Made in Germany“ – ist der Verein nicht nur ein wichtiges Schaufenster für die deutsche Wasserbranche, sondern auch ein erfolgreicher Projekttreiber, der die Themen Qualität und Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu stellt. Vorstand, Geschäftsführung und alle in den Regionalforen sowie Arbeitskreisen aktiven Mitglieder von GWP realisieren hier mit einer großen Vielfalt und weltweitem Einsatz enorme Aktivitäten.
Um ein Beispiel zu nennen: In Indien sehen wir, dass viele Anlagen zur Abwasserreinigung nur unzureichend oder gar nicht mehr funktionieren, weil Anlagenteile und Maschinen nicht gepflegt, nicht instandgehalten oder ersetzt werden oder gar nicht mehr elektrisch angeschlossen sind. Die „Show Case Plant India“, initiiert von Mitgliedern des Regionalforums Indien, ist hier ein guter Ansatz zu zeigen, wie Anlagen zur kommunalen Abwasserreinigung richtig geplant, aufgebaut und betrieben werden können. Dabei wird konsequent auf Qualität und Nachhaltigkeit gesetzt. Aber es sind auch kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen und zu überwinden. Eine ausreichende Schulung des Betriebspersonals, ganz im Sinne des alten Ansatzes im Entwicklungsdienst, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe, ist hierbei der entscheidende Ansatz.
Wichtige Schritte für eine Realisierung der Anlage sind bereits getan, weitere Projekte angedacht, nicht nur im kommunalen Bereich. Künftig muss für einen ganzheitlichen Ansatz auch das Regenwassermanagement in die Planung mit aufgenommen werden. Besser: Nicht ableiten, sondern nutzen! Das spannende Thema Schwammstadt wurde übriges in der 16. Ausgabe der Vorstandskolumne behandelt – gerne nachlesen!
Also ja, sehr gerne, künftig bitte mehr Qualität und Nachhaltigkeit!