Fokus Schwammstadt – Umbau der Stadtinfrastrukturen von der reinen Funktionalität hin zu wassersensiblen Städten | Die Vorstandskolumne

„Die Vorstandskolumne“ ist eine Rubrik, in der Sie aus der Perspektive eines GWP-Vorstandsmitglieds über relevante Themen aus dem Wassersektor informiert werden. Die 16. Ausgabe der Reihe übernimmt Ursula Schließmann.

Die Extreme des Klimawandels sind in den Städten besonders gut für alle Bewohner zu spüren – brütende Hitze oder starke Überschwemmungen. Die dichte Versiegelung im städtischen Bereich heizt die Umgebung auf, große Regenmengen können nicht aufgenommen werden. Das bisherige Konzept der konsequenten Ableitung des Regens aus der Stadt mittels Kanalisation verhindert die ortsnahe Versickerung, die Speicherung und den Mikroklimaausgleich durch anschließende Verdunstung.

Dr. Ursula Schließmann, GWP-Vorstandsmitglied, Foto: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Viele Kommunen denken deshalb seit einiger Zeit über das Konzept der Schwammstadt nach – also die Verbesserung des städtischen Mikroklimas und eines örtlich ausgeglichenen Wasserhaushalts − und versuchen zumindest bei der Neuanlage von Stadtquartieren Grünflächen, Versickerungs- und Speichermöglichkeiten für Regenwasser zu schaffen.

Status Quo Schwammstadt in Deutschland

Der Trend der letzten Jahrzehnte hin zur Verdichtung der Städte hat im Umkehrschluss einen größeren Anteil der Verdichtungsfläche im jeweiligen Stadtgebiet zur Folge. Laut einer Studie der VdS Schadenverhütung GmbH / GDV beträgt der Versiegelungsgrad von zwei Dritteln der 50 einwohnerreichsten Städte in Deutschland zwischen ca. 25 Prozent und ca. 47 Prozent. In manchen Quartieren dieser Städte weist der Versiegelungsgrad sogar bis zu 75 Prozent auf. Ideale Voraussetzungen für Hochwasser und starke Hitzeentwicklung.

Politische Bestrebungen der Weiterentwicklung von Hochwasserstrategien und Wassermangelstrategien auf Bundesebene (siehe Nationale Wasserstrategie; BMUV) und Landesebene (siehe Umweltministerien der jeweiligen Länder) beschreiben den notwendigen übergeordneten Rahmen. Die konkrete Umsetzung wird von einigen Städten bereits jetzt in Angriff genommen. Jedoch handelt es sich hierbei um langwierige Prozesse der Stadtumgestaltung, wobei die Arbeit von der rein funktionalen Planung hin zu einer multidisziplinären Planung in Ausmaß und Lösungsansatz sehr individuell angegangen werden muss.

Globale Bedeutung

Nicht nur in Deutschland und Europa ist die Schwammstadt (Sponge City) ein immer präsenteres Thema. International gibt es bereits Rankings darüber, in welchem Ausmaß Großstädte auf verschiedenen Kontinenten bereits die Kriterien einer Schwammstadt erfüllen. Auckland liegt laut einer Studie des internationalen Ingenieurbüros ARUP zufolge mit 35-prozentigem Schwammstadtcharakter auf dem ersten Platz. Es ist also noch ein weiter Weg.

Herausforderung bei der Planung und Umsetzung von Schwammstädten

Das Thema Schwammstadt könnte man auch mit einer wasserintegrierten Stadt- und Landschaftsplanung umschreiben. Bisher war die Hauptprämisse bei der Stadtplanung, möglichst wenig Fläche für Wohnungen und Industrie zu verbrauchen – also die Stadtinfrastruktur maximal zu verdichten und das Regenwasser und Abwasser möglichst schnell und konsequent aus dem städtischen Raum abzuleiten. Eine Schwammstadt weist andere Charakteristika auf und ist durch blau-grüne Infrastrukturen gekennzeichnet, etwa möglichst viele bepflanzte grüne Flächen zur Versickerung und Speicherung des Regenwassers oder die Wasserwiederverwendung durch lokale Aufbereitung und Reinigung etc.

Welche Möglichkeiten gibt es für die Umsetzung?

Der Phantasie sind erst einmal keine Grenzen gesetzt. Grünflächen sind auf verschiedensten Ebenen möglich, beispielsweise die klassischen Park- und Gartenflächen, aber auch konsequente Fassadenbegrünungen, Dachbegrünungen etc. – also mit Erweiterung in allen Dimensionen. Die ausreichende Installation unterirdischer Regenspeicher- bzw. Regenrückhaltebecken, die auch Extremregenereignisse puffern können und zu einer signifikanten Entlastung des Abwassersystems führen, sollte ein Mittel der Wahl sein. Im Stadtgefüge darf aber nicht vergessen werden, dass beispielsweise Straßenabläufe schadstoffbelastet sind. Diverse Projekte haben gezeigt, dass eine passgenaue Reinigung durch technische Abwasserreinigungsmethoden ebenso integriert werden muss wie naturnahe Methoden.

Ein weiterer Aspekt: Verbessert sich das Mikroklima in den Städten, werden die Stadtgebiete wieder interessanter für die Einwohner, der Rückzug auf die ländliche Umgebung könnte geringer ausfallen, der Autoverkehr möglicherweise zurückgehen.

Entscheidender Punkt ist jedoch, dass all diese klassischen Stadt-, Landschafts- und Infrastrukturplanungen interdisziplinär angelegt sein , wie es etwa im Rahmen des Verbundprojekts »Straße der Zukunft« oder im BMBF-geförderten Stadtentwicklungsprojekt »Leipziger BlauGrün« bereits erfolgt. Es bedarf also einer neuen, anders strukturierten Herangehensweise. Auf der diesjährigen Jahreskonferenz von German Water Partnership e.V. (GWP) habe ich hierzu einen Systemansatz vorgestellt, der an die »Fraunhofer Morgenstadt City Lab«-Methode angelehnt ist. Dieser ermöglicht es, das umfangreiche Gestaltungspotenzial in einer komplexen Stadtstruktur zu vergrößern. Die Vorgehensweise beginnt mit der Analyse von Indikatoren und reicht von einer Bewertung von Handlungsfeldern, über eine Sensitivitätsanalyse der lokalen Einflussfaktoren bis hin zur Priorisierung strategischer Maßnahmen und Überführung dieser in eine Roadmap. Somit ermöglicht es diese Methode, alle wichtigen Rahmenbedingungen, Stellgrößen, Stakeholder und fachlichen Disziplinen strukturiert einzubinden und zu verknüpfen und damit den effizienten Umbau der Stadt zu einer Schwammstadt zu erreichen.

Thema Schwammstadt bei GWP

Aufgrund der Relevanz haben wir auf der diesjährigen Jahreskonferenz von German Water Partnership mit verschiedenen Beiträgen aus der GWP-Mitgliedschaft dem Thema Schwammstadt ein eigenes Forum gewidmet. Das gut gefüllte Auditorium und die zahlreichen Wortbeiträge und Diskussionen haben gezeigt, dass innerhalb der GWP-Community großes Interesse an diesem Thema vorhanden ist. Deshalb planen wir, in Zukunft in einen stärkeren Diskurs mit Ihnen als Mitglieder zu treten und in künftigen Treffen weitere Informationen zum Status Quo der Umsetzung von Schwammstädten, konzeptionellen Ansätzen und technischen Möglichkeiten auszutauschen. Dabei wollen wir verschiedene Fragestellungen hinsichtlich des Forschungs- und Entwicklungsstatus und der Realisierung bis hin zu weiteren Projektmöglichkeiten angehen. Dazu halten wir Sie auf dem Laufenden.

Der GWP-Arbeitskreis »Innovation und Wissenschaftskooperation« befasst sich mit der Vernetzung von Forschungseinrichtungen und Unternehmen und ist eine Plattform für die Diskussion von FuE-Themen. Wir freuen uns über Ihre aktive Teilnahme am Diskurs!