Wasserwiederverwendung – Made in Germany | Die Vorstandskolumne

„Die Vorstandskolumne“ ist eine Rubrik, in der Sie monatlich aus der Perspektive eines GWP-Vorstandsmitglieds über relevante Themen aus dem Wassersektor informiert werden. Die fünfte Ausgabe kommt von Dr. Shahrooz Mohajeri.

Dr. Shahrooz Mohajeri, GWP-Vorstandsmitglied © GWP

Die deutsche Wasserwirtschaft – international führend – ist weltweit als Partner gefragt. Wasserarme Länder in Afrika und Asien, aber auch Teile der EU, benötigen Lösungen für die Wasserwiederverwendung in Landwirtschaft, Industrie oder in der Stadt. Auch GWP-Mitglieder erreichen aus dem Ausland viele ReUse-Anfragen. ReUse-Erfahrungen existieren allerdings fast nur im Rahmen von Forschungsprojekten, in Deutschland selbst ist eine Umsetzung noch nicht erlaubt. Das lässt sich jetzt ändern: Die Verordnung 2020/741 des Europäischen Parlaments und des Rates über Mindestanforderungen an die Wasserwiederverwendung könnte und müsste von der deutschen Wasserwirtschaft genutzt werden, dieses Zukunftsfeld zu besetzen. Die Forschung dazu wurde bereits in den letzten Jahren aktiv mit Förderung des Forschungsministeriums gestartet.

Den Wasserkreislauf neu denken

Ein zunehmend wichtiges Thema der internationalen Kooperationen von German Water Partnership ist der steigende Nutzungsdruck auf knappe Süßwasserressourcen in wasserarmen Regionen wie dem Iran, Jordanien oder Südafrika. Die Wiederverwendung gereinigter Abwässer ist eine Strategie, um diesen Druck zu mindern und das Management der Wasserressourcen resilienter zu gestalten. Ob für landwirtschaftliche Bewässerung, die industrielle Produktion oder urbane Bedarfe – bei der Anpassung an den Klimawandel suchen Verantwortliche händeringend nach ausgereiften Systemlösungen und tragfähigen Geschäftsmodellen, mit denen der Nutzungskreislauf des Wassers in einer regionalen Wertschöpfungskette integriert werden kann. Nur ein Beispiel: Im Iran hat die Industrie großes Interesse an einer sicheren, nicht vom Klima abhängigen Versorgung mit Betriebs- und Kühlwasser. So hat sich ein Geschäftsmodell entwickelt, bei dem die Industrie die Abwasserinfrastruktur umliegender Siedlungen auf eigene Kosten aufbaut und dann das gereinigte Abwasser unentgeltlich für eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellt bekommt.

Klarwasser-Märkte erschließen

Oberflächenwasser-Reinigung: Internationale Delegation in Berlin-Tegel, 2016 © inter 3 GmbH

Ob High- oder Low-Tech: In Deutschland kennen wir uns mit der gesamten Technik der Wasser- und Abwasserreinigung bestens aus und verfügen über die notwendige Betriebserfahrung. Mit dem Bedarf steigen daher selbstverständlich auch die Erwartungen unserer internationalen Partner an uns, für die Wasserwiederverwendung gute Lösungen – das heißt vor allem ganzheitlich konzipierte Systemlösungen statt einzelfallbezogene Insellösungen – anbieten zu können. Allerdings: Noch fehlt es in Deutschland an umgesetzten ReUse-Projekten in Anzahl und Skalierung – hier sind wir salopp gesagt „schwach auf der Brust“. Dabei macht sich auch hierzulande der Klimawandel mit Hitze und Trockenheit, steigenden Bewässerungsbedarfen und sinkenden Wasserspiegeln bemerkbar. Die Wasser- und Abwasserbetreiber und auch die politischen Entscheider sind beim Thema Wasserwiederverwendung bislang zurückhaltend – und keine Frage: Risiken und Haftungsfragen bezüglich Umweltrisiken und Verbrauchersicherheit sind ernsthafte Herausforderungen für alle Konzepte.

Die neue EU-Verordnung schafft ab Ende Juni 2023 einen verbindlichen Rechtsrahmen für alle EU-Mitgliedstaaten, wie gereinigtes Abwasser in der Landwirtschaft wiederverwendet werden kann. Etablieren wir in Deutschland Techniken, Monitoringverfahren und Geschäftsmodelle der Wasserwiederverwendung – auch für den eigenen Bedarf? Und bauen wir damit ein Portfolio guter Systemlösungen und Referenzprojekte für internationale Kooperationen auf? Oder bleibt die Auffassung handlungsleitend, eine Wasserwiederverwendung in Deutschland sei nicht notwendig und zu risikobehaftet? Wir tun gut daran, die Zeit bis 2023 für eine aktive Debatte zu nutzen. Mit der Gründung des Arbeitskreises „Landwirtschaftliche Bewässerung“ hat GWP bereits 2019 einen ersten Schritt zur Sensibilisierung für die steigende Bedeutung auch von ReUse unternommen. Im November 2021 wollen wir im Rahmen der BLUE PLANET Berlin Water Dialogues gemeinsam mit internationalen Partnern diskutieren. Mit vielfältigen Projektreferenzen zeigen die GWP-Mitglieder auch beim Thema ReUse was sie zu bieten haben: ‚Solutions You Can Trust´!