Über nachhaltige Entscheidungsfindung im Team und die Sichtbarkeit von Frauen in technischen Berufen | Im Interview mit Dr. Gesche Grützmacher, Berliner Wasserbetriebe – #WomenInWater

In der Kolumne „Frauen in der Wasserwirtschaft – #WomenInWater“ beleuchtet German Water Partnership gemeinsam mit Interviewpartnerinnen aus dem internationalen Wassersektor die Rolle von Frauen in der immer noch überwiegend männlich geprägten Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Ziel der Interviewreihe ist es, Frauen in der Branche sichtbarer zu machen und junge Fachkräfte zu ermutigen, eine Karriere in diesem Bereich zu verfolgen.

Für die dritte Ausgabe der Kampagne sprachen wir mit Dr. Gesche Grützmacher. Sie studierte Geologie in Heidelberg und an der Technischen Universität Berlin. Frau Dr. Grützmacher promovierte zum Thema Braunkohletagebaue und Grundwasserqualität an der Freien Universität Berlin und arbeitete anschließend beim Umweltbundesamt und beim Kompetenzzentrum Wasser Berlin. Aktuell ist sie als Leiterin für zentrale Aufgaben und Trinkwasserqualität bei den Berliner Wasserbetrieben gemeinsam mit ihrem Team für die qualitätsgerechte Aufbereitung und Sicherung des Berliner Trinkwassers zuständig.

Liebe Frau Dr. Grützmacher, Welche Tätigkeiten fallen als Leiterin für Zentrale Aufgaben und Trinkwasserqualität bei den Berliner Wasserbetrieben in Ihren Verantwortungsbereich? Sind Sie die Hüterin des Berliner Trinkwassers?

(Lacht) Ich würde sagen, gemeinsam mit meinen KollegInnen bilde ich ein starkes Team, das dazu beiträgt, die Qualität und Quantität des Berliner Trinkwassers zu sichern. Wir kümmern uns um die Verfahrenstechnik unserer neun Wasserwerke, die nach dem Prinzip der naturnahen Trinkwasseraufbereitung arbeiten. Das erscheint zunächst nicht besonders technisiert, jedoch müssen Belüftung und Filtration kontinuierlich geprüft und gesichert werden. Hinzu kommen noch neue Herausforderungen, auf die wir uns einstellen müssen, wie beispielsweise Spurenstoffe oder Ressourcenknappheit, für die wir uns vorbereiten und ausrüsten müssen.

Andererseits liegt bei meinem Team und mir die Verantwortung für die Trinkwasserqualität, wie sie dann ins Netz eingespeist wird. Dabei hilft uns ein sehr ausgeklügeltes Monitoring System, um zu gewährleisten, dass die Berliner Trinkwasserqualität langfristig gesichert ist.

Eine Karriere im Wassersektor: Was hat Sie hierhin geführt?

Bereits während meines Geologie Studiums wollte ich gerne in Richtung Umweltschutz gehen und habe mich schnell auf den Schwerpunkt Hydrogeologie konzentriert. Der Weg in die Wasserwirtschaft, lag für mich nach einigen Jahren in der Forschung nahe, da ich feststellte, dass die Projekte, die mich wirklich interessieren, die sind, die nicht nur erforscht, sondern auch in der Praxis umgesetzt werden.

Ich habe in Forschungsprojekten am Umweltbundesamt gearbeitet, aber auch am Kompetenzzentrum Wasser Berlin, dort habe ich bereits ein kleines Team geleitet. Aufgrund meiner anwendungsorientierten Forschung war es für mich nur konsequent, mich in Richtung Wasserversorgung zu orientieren. Mit der Leitung des Teams Wasserwirtschaft bei den Berliner Wasserbetrieben war in dann in einem wirklich sehr schönen Aufgabengebiet tätig, das fachlich komplex ist und in dem ich Erkenntnisse aus der Forschung dann in die Praxis umzusetzen konnte.

Welche Herausforderungen oder sogar Hindernisse sind Ihnen auf Ihrem Weg in den Wassersektor begegnet? Gibt es vielleicht Herausforderungen, denen sich speziell Frauen stellen müssen?

Am Anfang, also direkt nach dem Studium, lag die Herausforderung darin, überhaupt einen Job im Bereich Umweltschutz bzw. Wasserversorgung zu finden – und zwar nicht nur einen befristeten Job in der Forschung, sondern eine Stelle mit einer längerfristigen Perspektive. Die ersten zehn Jahre meines Berufslebens habe ich ausschließlich in befristeten Arbeitsverhältnissen gearbeitet. Es war eine große Herausforderung dem Sektor unter diesen Bedingungen treu zu bleiben, ich wurde es einfach leid, mich von Vertrag zu Vertrag zu hangeln. Heute ist das glücklicherweise anders. Junge Studienabsolventen kriegen in der Regel spätestens mit dem zweiten Vertrag einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten.

Rückblickend würde ich meinem 25-jährigen Ich gerne vermitteln, dass alles gut wird, dass sie sich keine Sorgen machen muss, dass sie einen Job finden wird und dass sie auch einen guten Job finden wird. Und ich glaube, das hätte mir damals viel geholfen und viele schlaflose Nächte vermieden.

Eine Herausforderung, der sich wahrscheinlich vorranging Frauen stellen müssen, zeigt sich im Zuge der Familiengründung. Ich war sehr froh, dass ich zu diesem Zeitpunkt einen Job gefunden hatte, der es mir möglich machte, in Teilzeit zu arbeiten. Zumindest bei öffentlichen Wasserversorgern sind Teilzeitarbeitsmodelle heute Standard – im Gegensatz zu meinen Erfahrungen in der privaten Wasserwirtschaft. Ich würde sagen, das ist ein Thema, das es gilt zu bearbeiten. Dazu gehören zum einen die richtigen Arbeitszeit- oder auch Jobsharing-Modelle – denn gerade in einer verantwortungsvollen Position geht es weniger um die finanzielle Absicherung, da meist beide Elternteile arbeiten, sondern darum, drin zu bleiben und seine Führungsposition zu behaupten. Dazu gehören aber auch die jungen Väter, die in Teilzeit gehen und so ihren Beitrag dazu leisten. Ich finde es extrem wichtig, dass es eben nicht automatisch die Frauen sind, die zurückstecken. In Zukunft muss weiter in diese Richtung gedacht werden. Hier sind wir, meiner Meinung nach, auf dem richtigen Weg, aber der muss eben auch gegangen werden.

Die Anzahl der Frauen in Führungspositionen in der Wasserwirtschaft steigt stetig an. Dennoch sind Frauen im Allgemeinen noch unterrepräsentiert vor allem in Fach- und Führungspositionen. Die Schere wird noch deutlicher, wenn man auf die private Wasser- und Abwasserwirtschaft blickt. Entscheidungen über Innovationen, Technologien und Infrastruktur werden (noch) weitestgehend von Männern getroffen. Denken Sie, dass es ein Problem ist, dass Frauen unterrepräsentiert sind, oder sind das für Sie einfach nur Zahlen?

Klar! Das merkt man vor allem in dem Moment, in dem man auf den Input gut ausgebildeter Frauen verzichtet, dann verliert man natürlich etwas. Das muss einem klar sein, wenn man Frauen nicht die Möglichkeit bietet, auch verantwortungsvolle Positionen einzunehmen. Ich bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass Entscheidungen von großer Tragweite von vielen Schultern mitgetragen werden. Wenn man möchte, kann man das als weiblichen Führungsstil bezeichnen: Ich entscheide nicht allein, sondern gemeinsam mit meinem Team, was sich unmittelbar auf unser Teamgefühl auswirkt.

Dabei sage ich nicht, dass Entscheidungen, die nur von Männern gefällt werden, schlechter sind – ich bin jedoch davon überzeugt, dass das Arbeiten in einem rein männlichen oder einem rein weiblichen Team nicht so fruchtbar ist wie in einem gemischten Team, in dem Entscheidungen letztendlich nachhaltiger getroffen werden können.

In der Wasserwirtschaft, wie in vielen anderen technischen Berufen, sind Frauen generell weniger präsent. Bei den Berliner Wasserbetrieben haben wir eine relativ gute Mischung. Aber natürlich ist es so, dass in den eher technischen Bereichen nur wenige Frauen arbeiten, diese jedoch nicht weniger erfolgreich als ihre männlichen Kollegen. Ich ermuntere gerne alle Frauen in meinem Umfeld, ob Studentin, Praktikantin oder junge Mitarbeiterin sich weiter zu engagieren und sichtbar zu sein – die reinen Männer-Teams, wie sie es in der Vergangenheit gab, gehören auch der Vergangenheit an.

Was war bisher Ihre beste oder eindrücklichste Berufserfahrung?

Was mich auch am meisten inspiriert hat, war die Arbeit, die ich im Team gemacht habe, wo ich wirklich mit fachlich hoch qualifizierten Kolleginnen und Kollegen zusammen an einem Thema gearbeitet habe. Solche Momente gab es in der Projektarbeit am Kompetenzzentrum Wasser Berlin, aber auch hier bei den Berliner Wasserbetrieben. Beispielsweise bei unserer Strategieentwicklung, die auf einen fachlich fundierten Entscheidungsprozess aufbaut, dann umgesetzt wird und praktische Resultate bringt, die am Ende bestenfalls zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen.

Was bedeutet Wasser für Sie?

Wasser bedeutet für mich nicht nur die Lebensgrundlage für uns Menschen, sondern es bedeutet auch Lebensqualität. Nicht nur in der Stadt, sondern auch in der Natur. Deswegen gilt es, das Wasser, soweit es uns möglich ist, wirklich sorgsam zu behandeln und ihm den Schutz zukommen zu lassen, den es auch verdient.

 

German Water Partnership e.V. (GWP) ist ein Netzwerk von rund 300 Unternehmen und Institutionen aus der deutschen Wirtschaft und Forschung im Wassersektor. Mit der Rubrik „Frauen in der Wasserwirtschaft – #WomenInWater“ tritt der Verein in den Austausch mit internationalen Branchenvertretern und zeigt den Berufsalltag von Frauen in der männerdominierten Branche. In der nächsten Ausgabe freuen wir uns auf ein Gespräch mit Beverly Farrara von The Water Council.

Bisher in dieser Reihe erschienen: