Corona-Virus: Folgen für die Wasserwirtschaft in China

Berlin, 05. März 2019 | Unternehmen spüren erste Auswirkungen auf ihre Geschäfte und sorgen sich um Personal und Zahlungsausfälle. Das diskutierten GWP-Mitglieder am Mittwoch im Rahmen des GWP-Regionalforums China. Die Gefahr, dass sich das Virus über Abwasser verbreitet, hält Prof. Martin Wagner derzeit für sehr gering. Der Staat könnte jetzt dennoch mit einem flächendeckenden Ausbau der Abwasser- und Klärschlammbehandlung reagieren, beobachtet der Experte der TU Darmstadt und Leiter des GWP-Regionalforums.

TU-Darmstadt-Professor Wagner: „Relativ geringe Gefahr“, dass das Virus über Abwasser ins Trinkwasser gelangt. Foto: TU Darmstadt

Herr Prof. Wagner, wie ist die Stimmung unter den in China aktiven Unternehmen?

Wagner: Zunächst einmal machen sich die Teilnehmenden unseres China-Forums Sorgen um die Gesundheit unter der chinesischen Bevölkerung und den chinesischen Kolleginnen und Kollegen. Man wünscht sich, dass sich die Lage in eine gute Richtung entwickelt, wohlwissend, dass die Situation schwierig ist. Insbesondere in Bezug auf eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen alle, dass Vorsicht geboten ist. Aber die Diskussion war sehr sachlich und es gibt Optimismus, dass der chinesische Staat diese Pandemie in den Griff bekommen wird.

Welche konkreten Auswirkungen auf ihre Geschäfte berichteten die Teilnehmenden?

Wagner: Es gibt die Sorge, dass die Liquiditätsprobleme vieler chinesischer Unternehmen zu Problemen führen werden. Es wurde berichtet, dass auch deutsche Firmen jetzt schon auf die Bezahlung erbrachter Leistungen oder gelieferter Produkte warten.

Viele chinesischen Unternehmen haben zudem das Problem, dass ihre Mitarbeiter gezwungen sind, zuhause zu bleiben. Und wenn sie zum Arbeiten in die Firmen dürfen, gibt es oft strenge Restriktionen. Das geht so weit, dass man vorgeschrieben bekommt, wie weit die Schreibtische auseinandergestellt werden, damit es keine Ansteckung geben kann.

„Auch deutsche Firmen warten jetzt schon auf die Bezahlung erbrachter Leistungen oder gelieferter Produkte.“

Wie verhält sich das Corona-Virus im Wasser und welche Rolle spielt die Abwasserbehandlung im Umgang mit der Pandemie?

Wagner: Das Virus kann und wird im Wasser nachgewiesen. Auch im Klärschlamm findet es sich wieder.

Momentan werden international Voruntersuchungen und Studien durchgeführt, die sich mit dieser Fragestellung beschäftigen. Aktuell kann kein abschließendes Fazit über das Virusverhalten im Abwasser bestätigt werden, jedoch ist mit Erhöhung der Temperatur von einer Inaktivierung des Virus auszugehen.

Also gibt es eigentlich keinen großen Handlungsbedarf im Bereich der Abwasserbehandlung?

Wagner: Die Gefahr, dass das Virus ins Trinkwasser gelangen kann, ist meines Erachtens relativ gering. Wird das Trinkwasser aus Grundwasser gewonnen, ist das Virus bis dahin mit Sicherheit nicht mehr aktiv. Kommt es aus Oberflächenwasser, ist eine gewisse Gefahr gegeben. Aber wenn es die üblichen Behandlungsstufen durchläuft und die in China übliche Desinfektion stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, dass das Virus im Trinkwasser auftaucht. Zudem geschieht die Ausbreitung des Virus nicht über das Wasser, sondern über orale Vorgänge.

Nichtsdestotrotz ist es im Abwasser nachweisbar und man muss natürlich im Sinne des Vorsorgeprinzips alles tun, um zu verhindern, dass es über diesen Weg übertragen werden könnte.

90% der Unternehmen rechnen mit mittelstarkem bis starkem Einfluss auf ihr Geschäft

… das ergab eine Umfrage unter 576 europäischen Unternehmen im China-Geschäft, durchgeführt u.a. von der AHK Greater China

48% der Unternehmen erwarten für das erste Halbjahr 2020 einen Umsatzeinbruch von mehr als 20% bedingt durch das Corona-Virus.

134 der befragten Unternehmen wünschen sich finanzielle Unterstützung durch die chinesische Regierung.

Als größte Herausforderungen werden die sinkende Nachfrage, Produktionsverzögerungen und krankheitsbedingter Mitarbeiterausfall genannt.

Quelle: Impact of Corona Virus Outbreak on European Companies in China

Tut sich in dieser Hinsicht denn bereits etwas in China?

Wagner: In den Jahren 2002/2003 hatten wir mit SARS ein ähnliches Virus wie heute mit Covid-19. Die chinesische Regierung hatte damals relativ schnell reagiert und angeordnet, dass sämtliche kommunale Kläranlagen eine desinfizierende Behandlungseinheit nachschalten müssen. Daraufhin wurden sehr schnell alle Kläranlagen mit einer UV- Anlage und/oder einer Chlorung ausgerüstet.

Die Frage ist, was die chinesische Regierung jetzt tun wird, und da müssen wir zwei Wege betrachten: den Weg des Abwassers und den, des Klärschlamms.

Ich vermute, dass z.B. infolge eines verstärkten Medikamenteneinsatzes in China zukünftig im Bereich des Abwassers verstärkt Mikroschadstoffe und antibiotikaresistente Keime in den Kläranlagen behandelt werden müssen. Dazu gibt es verschiedene Verfahren. Vorstellbar ist zum Beispiel eine nachgeschaltete Aktivkohlefiltration, damit die Mikroorganismen adsorbiert werden.

Wenn die nach SARS umgesetzten Maßnahmen bereits dazu führen, dass das Virus im Abwasser zum allergrößten Teil inaktiviert werden kann – ist dann eine weitere Aufrüstung purer Aktionismus?

Wagner: Ich würde nicht sagen, dass das Aktionismus ist, sondern eine logische Entscheidung. Aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es sowieso nirgends. Zumal man bedenken muss, dass es viele Fehlanschlüsse in der Kanalisation gibt und häusliches Abwasser in Regenwasser gelangt, das wiederum in Flüsse gelangen kann. Zudem gibt es diffuse Einleitungsquellen, die man nicht im Griff hat.

„Ich bin überzeugt, dass wie die Klärschlammverbrennung auch die 4. Reinigungsstufe forciert werden wird.“

Natürlich sind Fehlanschlüsse nicht nur in China ein Thema, sondern auch in Deutschland und überall auf der Welt.

Im Bereich der Klärschlammbehandlung bin ich mir sicher, dass es in Richtung Verbrennung gehen wird, wie es in China bisher auch angedacht ist. Es gibt erst wenige Verbrennungsanlagen, und ich bin sicher, dass in diesem Bereich bald viele neue entstehen werden.

Die Chancen stehen also gut, dass sich die „4. Reinigungsstufe“, bei der es um das Herausfiltern von Spurenstoffen, wie Mikroschadstoffen aus Medikamentenresten, geht, in China möglicherweise bald flächendeckend umgesetzt wird?

Wagner: Ich bin überzeugt, dass wie die Klärschlammverbrennung auch die „4. Reinigungsstufe“ forciert werden wird. Der chinesische Staat wird gegenüber der Bevölkerung zeigen müssen, dass er handelt und das Abwasser weitestgehend behandelt.

Was können deutsche Anbieter da leisten?

Wagner: Wir sind in Deutschland in der Forschung ebenso wie in der Umsetzung schon relativ weit. Insbesondere in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfahlen arbeiten bereits mehrere Anlagen im Regelbetrieb. Deutsche Firmen können mit Sicherheit einen Beitrag leisten, wenn solche Forderungen aus China gestellt werden.

Im aktuellen Fünfjahresplan der Regierung steht auch das Thema Re-Use auf der Agenda. Wie werden sich die aktuellen Entwicklungen darauf auswirken?

Wagner: Die chinesischen Behörden werden sich Gedanken machen müssen, ob neue Parameter in die Regularien für Re-Use aufgenommen werden müssen, die verhindern, dass es zu Krankheitsbildern kommt, die über das Wasser übertragen werden. Das betrifft nicht nur Corona-Viren, sondern alle anderen möglichen Infektionen. Aktuell gibt es einen nur einzigen Parameter in den bestehenden Regularien. Da muss etwas passieren.

Man wird mit Sicherheit beibehalten, dass Chlor in nennenswerten Konzentrationen nachweisbar sein muss, bevor Re-Use-Wasser benutzt werden kann. Diese Desinfektion ist eine Notwendigkeit und das wird in meinen Augen noch verschärft werden.

Herr Wagner, vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr.-Ing. habil. Martin Wagner

ist Geschäftsführer des Institutes IWAR der TU Darmstadt und forscht u.a. zu Abwasserbehandlung, Belüftung und Gastransfer, Energie in Abwasserreinigungsanlagen sowie semizentralen Ver- und Entsorgungssystemen für schnell wachsende urbane Räume, einem neuartigen Infrastrukturkonzept.

Seit 2009 leitet er bei German Water Partnership das Regionalforum China.

 

 

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