Chancenkontinent Afrika – Perspektiven und Herausforderungen | Die Vorstandskolumne

„Die Vorstandskolumne“ ist eine Rubrik, in der Sie monatlich aus der Perspektive eines GWP-Vorstandsmitglieds über relevante Themen aus dem Wassersektor informiert werden. Die sechste Ausgabe kommt von Michael Kersting.

Michael Kersting, GWP-Vorstandsmitglied

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Leitung von Bundesminister Gerd Müller bezeichnet Afrika in seinem Marshallplan mit Afrika als einen „Kontinent der Chancen“. Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften sind dort zu finden, genauso wie 90 Prozent der weltweiten Vorkommen an mineralischen Rohstoffen. (Darüber hinaus setzen viele afrikanische Regierungen auf den Ausbau erneuerbarer Energien).

Aber warum sind Unternehmen der deutschen Wasserbranche in Afrika so wenig aktiv?

Herausforderung Sprache

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich veranschaulichen, dass es sich bei „Afrika“ um einen Kontinent handelt, der sich aus 54 Ländern zusammensetzt. Diese Länder zeichnen sich in der Einzelbetrachtung durch ihre enorme Divergenz aus. Insbesondere die frankophonen und lusophonen Länder stellen für deutsche Unternehmen oft eine Herausforderung durch die sprachliche Barriere dar. Auch die koloniale Vergangenheit in den französischsprachigen Ländern erschwert häufig den Zugang zum Markt und der anhaltende Einfluss Frankreichs ist allgegenwärtig zu spüren. Für Unternehmen, die in diesen Regionen aktiv werden wollen, ist es möglicherweise ratsam – sofern vorhanden – über ihre/eine französische Niederlassung zu agieren. Neben sprachlichen können somit auch kulturelle Hürden leichter überwunden werden.

Notwendigkeit Wissenstransfer

Eine der grundlegenden Stärken der deutschen Wirtschaft ist ihr breit aufgestelltes Berufsbildungsangebot. Vergleicht man dieses mit dem der meisten afrikanischen Staaten, so wird man feststellen, dass auf dem universitären Sektor ein gutes bis sehr gutes Bildungsniveau vorhanden ist, und nicht wenige AfrikanerInnen haben im Ausland oder gar in Deutschland studiert. Eine Berufsausbildung im klassischen Sinne und die darauf aufbauenden Weiterqualifikationen, wie beispielsweise TechnikerIn und MeisterIn, sind jedoch meist gar nicht erst vorhanden. Unternehmen mit technisch erklärungsbedürftigen oder wartungsintensiven Produkten fehlt somit häufig die Basis, um überhaupt Fuß fassen zu können. Langfristige Strategien sind deshalb ohne Wissenstransfer erst gar nicht umsetzbar. Eine geeignete Partnerorganisation, insbesondere für die Umsetzung von Berufsbildungsprogrammen, ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. Auch die deutschen Auslandshandelskammern können Unterstützung bieten. German Water Partnership e.V. trägt ebenfalls über die Kammer- und Verbandspartnerschaft mit der African Water Association (AfWA) und über die Beteiligung am Projekt Betreiberplattform zum Wissenstransfer bei.

Situation im Wassersektor

Der afrikanische Kontinent besitzt mit 600 Kubikkilometern das weltweit größte, nicht gefrorene, Trinkwasservorkommen weltweit. Sicherlich profitieren nicht alle Staaten, wie beispielsweise das aride Senegal, von diesen Ressourcen. Im Gegensatz hierzu ist beispielsweise Kamerun in vielen Teilen des Landes mit ausreichend Wasserressourcen gesegnet. Trotzdem ist in der Hauptstadt Jaunde die Wasserversorgung intermittierend und es wird gerade zweimal wöchentlich Trinkwasser in das Netz eingespeist. Grund hierfür sind die ineffiziente Wasserversorgung und über Jahrzehnte nicht getätigte Investitionen. Verlustraten von 50 bis 60 Prozent (NRW) sind in Afrika nicht unüblich und Versorger mit Raten um die 25 Prozent (NRW) gelten laut US-Aid schon als sehr gut aufgestellt. Gleiches gilt übrigens auch für den Sektor der Abwasserentsorgung.

Grundsätzlich gibt es einen großen Bedarf an Technologien und Know-How, der gerade durch deutsche KMUs gedeckt werden könnten. Auch genießen deutsche Unternehmen, Ingenieurbüros, etc. auf dem Kontinent einen extrem guten Ruf.

Warum fällt es also vielen Unternehmen so schwer mit der afrikanischen Wasserbranche Geschäfte zu machen?

Hierzu muss man wissen, dass der Wasserver- und Entsorgungssektor in den meisten afrikanischen Ländern in staatlicher Hand liegt. Er ist überwiegend defizitär und abhängig von Subventionen. Investitionen zum Erhalt des Betriebes werden häufig erst durch Gebermittel möglich. Somit sind Verkäufe oft auf Projektgeschäfte reduziert und es ist aufgrund des Mangels an finanziellen Ressourcen kaum möglich, langfristige KundInnenbeziehungen aufzubauen. Ausnahmen bilden die Ver- und Entsorger, bei denen private Betreiber wie Suez und Veolia den Betrieb übernommen haben. Diese sind allerdings – wie zu erwarten – hauptsächlich in frankophonen Ländern zu finden.

Jedoch ändert sich langsam die Wahrnehmung vieler Regierungen Sub-Sahara Afrikas hinsichtlich der Bedeutung einer funktionierenden Wasserver- und Abwasserentsorgung für die gesundheitliche, wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Nicht wenige haben mittlerweile entsprechende Investitionsziele in ihre nationalen Entwicklungsagenden aufgenommen. Allein Südafrika sieht bis 2025 einen Investitionsbedarf für den Wassersektor von 52,5 Milliarden Euro vor.

GWP-Aktivitäten

Das GWP Regionalforum Afrika bietet Unternehmen, die sich für den afrikanischen Markt interessieren, eine breite Plattform zum Austausch von Informationen, Erfahrungen und zur Entwicklung gemeinsamer Aktivitäten. Durch die mittlerweile etablierte Kammer- und Verbandspartnerschaft GAPWAS zwischen GWP und der African Water Association (AFWA) ist das Forum nun auch direkt an die EntscheidungsträgerInnen der afrikanischen Wasserwirtschaft angekoppelt. Die Langzeitexpertin im Projekt GAPWAS, Natalie Kolbe, ist vor Ort in Abidjan und berichtet im Regionalforum Afrika regelmäßig zu den Aktivitäten vor Ort und ist somit Mittlerin im Kontakt zu den Mitgliedern der AfWA.  Eine Vielzahl schon gemeinsam durchgeführter und zukünftiger Veranstaltungen und Trainings gaben und geben den aktiven GWP-Mitgliedern die einmalige Chance, ihre Kompetenzen vor relevanten EntscheidungsträgerInnen präsentieren zu können. Um den Austausch zukünftig noch enger zu gestalten, wird gerade ein neues Format entwickelt, in dem deutsche und afrikanische ExpertenInnen die Gelegenheit haben werden sich auf Augenhöhe zu spezifischen Themen auszutauschen und gemeinsam mögliche Lösungen zu erarbeiten.

Im Hinblick auf einen erfolgreichen Markteintritt und die Vernetzung mit den relevanten AkteurInnen im Zielmarkt wäre noch das im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte und von GWP unterstützte Markterschließungsprogramm erwähnenswert. Dieses bietet Teilnehmenden die Möglichkeit, an Delegationsreisen teilzunehmen und umfangreiche Zielmarktanalysen sowie sektorspezifische Informationen zu erhalten, Referenzprojekte zu besichtigen, ihre Produkte auf Fachsymposien vorzustellen und sich in Gruppen und exklusiven B2B-Gesprächen mit VertreterInnen aus Wirtschaft und Politik im Zielland zu vernetzen.

Vom 25.-28.10.2021 steht übrigens die digitale Markterkundungsreise (ME) Tansania/Uganda an, zu der Sie sich noch bis zum 23. Juli anmelden können.

Als eine weitere Möglichkeit zur Evaluierung und Erschließung von Märkten in Afrika können mit Unterstützung durch GWP durchgeführte Messen genutzt werden. Leider findet die für November 2021 geplante IFAT Afrika aufgrund der noch andauernden Corona- Pandemie nicht statt.

Sollte nun Ihr Interesse am „Chancenkontinent Afrika“ geweckt worden sein, dann möchte ich Sie hiermit herzlichst zum nächsten Regionalforum Afrika einladen, das am 27.09.21 in Berlin tagen wird!