Gute Vernetzung zahlt sich aus – Wissensmanagement und Digitalisierung | Die Vorstandskolumne

„Die Vorstandskolumne“ ist eine Rubrik, in der Sie monatlich aus der Perspektive eines GWP-Vorstandsmitglieds über relevante Themen aus dem Wassersektor informiert werden. Die 15. Ausgabe der Reihe übernimmt Michael Kuhn.

Weltweit sind viele Menschen mit unterschiedlicher beruflicher Qualifikation in der Planung und im Betrieb von Abwasseranlagen tätig. Um die reibungslose Funktion der Anlagen zu gewährleisten, sind sachkundige Fachkräfte mit Wissen über die Führung und Instandhaltung der Anlagen notwendig. Während es hierfür in Deutschland entsprechende Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, stellt sich die Situation in vielen Ländern der Welt völlig anders dar. Fehlende Fachkräfte oder Mitarbeiter ohne die notwendige Qualifikation führen in vielen Fällen zu Problemen bei den Reinigungsprozessen und damit der Ablaufqualität der Anlagen.

Dr. Michael Kuhn, GWP-Vorstandsmitglied

Um diese Schwierigkeiten zu beheben, gibt es bei German Water Partnership e.V. (GWP) und Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. (DWA) viele Initiativen, diesen Mangel zu lindern. Bei der Umsetzung der Programme stoßen wir jedoch sehr schnell auf vielschichtige Probleme. Zunächst stellt sich die Aufgabe, Menschen zur Aus- und Weiterbildung in diesem Bereich zu finden. Die Abwasserreinigung als technischer Beruf mit entsprechender Ausbildung ist vielfach nicht bekannt. Ist die Bereitschaft zur Aus- und Weiterbildung gegeben, sind sprachliche und kulturelle Hürden zu überwinden. Dazu müssen insbesondere für den Frontalunterricht sprachlich und fachlich geeignete Dozenten gefunden werden, die auch die Unterrichtsmaterialien entsprechend aufbereiten. Eine weitere Hürde offenbart sich, nach Abschluss der fachlichen Ausbildung – denn die Fachkräfte erkennen sehr schnell ihren Marktwert und lassen sich von anderen Betreibern abwerben. Damit gehen ein großer Verlust der vorher investierten Zeit und insbesondere ein massiver Wissensverlust einher.

Durch die vernetzte Organisation von GWP in zwölf Regionalforen und themenbezogene Arbeitskreise ist ein Austausch von Wissen und Erfahrung sehr leicht möglich. Dies hat sich insbesondere in der Verbindung von digitalen Werkzeugen und Wissensmanagement gezeigt. In der aktuell laufenden Machbarkeitsstudie des Regionalforums Indien, die im Rahmen der Exportinitiative Umwelttechnologien vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert wird, ist ein Lern- und Schulungskonzept, auf der Basis einer zuvor durchgeführten Bedarfsanalyse, enthalten. Auf der Suche nach geeigneten Methoden für ein solches Schulungskonzept wurde im Innovationsforum Internationale Betreiberpartnerschaften die Idee zu digitalen Werkzeugen zur Wissensvermittlung und Wissensspeicherung entwickelt. Daraus entstand die Idee des Digitalen Lernhauses bei der inter 3 GmbH. Ziel des Lernhauses ist, dass die Nutzung einfach, niederschwellig und ohne Lizenzen möglich sein soll. Die Inhalte orientieren sich insbesondere an dem, was im Alltag gebraucht wird. Es sollen Wissen und Erfahrung, die sehr oft nur implizit in Köpfen vorhanden sind, für andere Personen und Orte vermittelt und aufbereitet werden. Dies kann durch Lernmaterialien zu einzelnen Prozessen oder Maschinen geschehen, kann aber auch breitere Themen oder Themenfelder abdecken. Neben der didaktischen Hilfestellung ermöglicht dieses Tool die Ausbildungsinhalte leicht auf die länderspezifischen oder gar anlagenspezifischen Besonderheiten anzupassen. Durch die digitale, teamorientierte Erarbeitung und Verwendung von Inhalten, Fotos und Videos ist die Anpassung an die örtlichen Bedarfe sehr einfach möglich. Weiterhin ist durch Einbindung von Datenbrillen und Datenübertragung eine Fernbetreuung in Echtzeit möglich. Zudem kann auch eine Unterstützung der Prozessführung geleistet werden. Je weitergehender diese Digitalisierung schon in der Planungs- und Bauphase angesetzt wird (z.B. durch den Einsatz der Building Information Modeling (BIM)-Methode), desto einfacher ist die Nutzung dieser digitalen Daten – bis hin zur Nutzung des digitalen Zwillings zur Analyse und Optimierung von Anlagen.

Die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften ist für GWP ein zentraler Baustein, um den Betrieb von Anlagen zu optimalen Ergebnissen zu bringen. Aktuell begleitet GWP ein kürzlich bewilligtes PartnerAfrika-Projekt der African Water Association (AfWA), zum Aufbau eines Exzellenzentrums (AWASA) in Kampala, Uganda für die Durchführung von dezentral organisierten Trainings in Senegal und Ruanda – perspektivisch jedoch in ganz Afrika. Darin liegt auch eine Chance für deutsche Unternehmen: Durch die Verfügbarkeit von Fachkräften wird der Wassersektor in den Zielländern gestärkt. Das Projekt bietet darüber hinaus auch die Möglichkeit, die eigenen Kontakte und Netzwerke zu erweitern und neue Geschäftschancen zu erschließen.