Naher Osten: Langfristige Partnerschaften benötigt

Im Interview spricht der frühere Wasser- und Landwirtschaftsminister Jordaniens und Vorsitzende des Middle East Water Forums über Herausforderungen und Chancen für deutsche Unternehmen in der Region.

 

Herr Dr. el Naser, schon heute steht die MENA-Region vor großen Herausforderungen im Bereich Wasser. Und die dürften allen Prognosen zufolge noch deutlich zunehmen. Wo brennt es am meisten?

Die Wasserprobleme im Nahen Osten können auf keinen Fall innerhalb nationaler Grenzen gelöst werden“, sagt Hazim el Naser, Chairman des Middle East Water Forum. Foto: MEWF

El Naser: Der Mittlere Osten und insbesondere die arabischen Länder sind schon heute eines der wasserärmsten Gebiete der Welt. 17 der 22 arabischen Länder liegen unter der Wasser-Armutsgrenze. Pro Kopf liegt der Zugang zu Wasser bei unter 1.000 Kubikmetern und es gilt als höchstwahrscheinlich, dass die Region zukünftig in Folge etwa des Klimawandels noch stärker betroffen sein wird.

Diese Herausforderungen erfordern eine Menge Arbeit und Maßnahmen, inklusive langfristiger Planung, Technologietransfer, Projektmanagement und Finanzierung, die Verbreitung von Informationen und den Austausch von Erfahrungen ebenso wie Capacity Building. Wir brauchen dringend Innovationen im Bereich der Solarenergie und Entsalzung sowie smarte Wasser-Lösungen.

Die Probleme in der Region sind nicht neu. Warum sollte sich gerade jetzt etwas tun und es sich lohnen, sich in diesen Märkten zu engagieren?

El Naser: Die arabische Welt leistet am wenigsten in Sachen Planung und Vorbereitung, um der kommenden (globalen Klima-) Krise entgegenzuwirken. Das gilt insbesondere für die Länder mit den niedrigsten Einkommen und begrenzten Wasserressourcen. Die Situation wird durch politische Turbulenzen und Bürgerkrieg in einigen Ländern noch befördert. Das führt wiederum zu Unruhen, Demonstrationen und Protesten auf nationaler Ebene infolge des Wassermangels und auf regionaler Ebene aufgrund der Spannungen, die durch gemeinsam genutzte Wasservorkommen entstehen, wie dem Euphrat-und-Tigris-Becken, das sich über die Türkei, Syrien, den Irak und Iran erstreckt. Oder das Nilflussbecken zwischen Ägypten und dem Rest der Anrainerstaaten am Blauen und Weißen Nil.

Alles in allem versuchen die Regierungen in unserer Region aber, Wasser und Sanitär-Projekte an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten und jeglichen politischen Unruhen vorzubeugen, die durch Wassermangel ausgelöst werden könnten. Ein großer Teil des Dilemmas dieser Länder ist, dass ihre Wasserversorger in den meisten Fällen keine Lösungen haben, um auf die Wasserprobleme zu reagieren. Das bietet Chancen für deutsche Unternehmen, die mit Lösungen aushelfen, die innovativ sind, einen technischen Vorsprung haben und so den Regierungen dabei helfen, mit ihren Problemen klarzukommen

Es werden also nicht nur bewehrte Technologien nachgefragt, sondern auch innovative Lösungen wie im Bereich der Automatisierung und Wasser 4.0?

El Naser: Ja, beides. Manche Länder brauchen eher grundlegende Technologien und Infrastruktur und andere eher fortschrittliche und smarte Lösungen. In allen Fällen können deutsche Firmen ihre Dienstleistungen anbieten. Und nicht vergessen: Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist auch mit Projekten in den Bereichen Wasser und Sanitärversorgung in der Region aktiv. Programme zum Wasserverlust und zur Leckagen-Ortung gehören zu den wichtigsten mit Teilhabe deutscher Unternehmen. Wenn man das mit smarten Lösungen und digitalen Zählern vereint, dann glaube ich, dass sich deutschen Unternehmen große Chancen bieten.

Ein weiteres Feld ist die Abwasserbehandlung und -wiederverwendung inklusive Faulbehältern und Biogas-Einheiten, an denen es in den meisten Ländern dringenden Bedarf gibt. Ingenieurstechnische Lösungen und Capacity Building sind auch etwas, dass deutsche Unternehmen definitiv anbieten können.

Das Bewusstsein in der Region für deutsche Qualität, Genauigkeit und detaillierte Planung ist sehr hoch. Der Boden ist also bereitet für langfristige Partnerschaften. Aber es gibt noch einige Hürden zu beseitigen. Wir brauchen Roundtable-Meetings und Diskussionen, um die größten Hindernisse für Geschäfte in unserer Region aufzudecken und abzuschwächen.

 

„Bei öffentlich-privaten Partnerschaften sind die Deutschen am wenigsten präsent.“

 

Was sind diese möglichen Hürden für Geschäfte in der Region?

El Naser: Sprache ist eine Hürde, wenn es darum geht, neue Aufträge in der Region an Land zu ziehen und zu implementieren. Eine echte Partnerschaft mit einem lokalen Privatunternehmen kann das sehr viel einfacher machen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind in den meisten Ländern relativ gut und es gibt nicht viele Probleme mit ihnen. Hohe Preise sind etwas, wofür die deutschen Unternehmen eine Lösung finden müssen – wie gesagt, auch das am besten über eine lokale Partnerschaft.

Informationen über die Erfahrung und Expertise deutscher Unternehmen über Online-Plattformen zu verbreiten, hilft dabei, sie mit allen Akteuren der Wasserbranche vertraut zu machen. Regelmäßige Teilnahme an regionalen Workshops und Konferenzen, insbesondere denen, die in Zusammenarbeit mit GWP organisiert werden, hilft ebenso.

Wie schätzen Sie Deutschlands Präsenz in der Region ein – etwa im Vergleich zu Konkurrenten aus China oder Frankreich?

El Naser: Offen gesagt, bei öffentlich-privaten Partnerschaften sind die Deutschen am wenigsten präsent, verglichen mit französischen, US-amerikanischen und chinesischen Unternehmen. Wir müssen untersuchen, warum sich deutsche Unternehmen nicht stärker an langfristigen Partnerschaften mit den Regierungen beteiligen.

Wo sehen Sie weitere Möglichkeiten für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Ländern der Region?

El Naser: Es braucht alle zwei Jahre ein “German Arab Water Forum” in der Region und in Deutschland um die deutsche Branche den Nutzern, Zulieferern, Beratern und Auftraggebern ebenso wie den arabischen Wasserministerien und Betreibern zu präsentieren. Außerdem sollte es einen jährlichen Katalog von Wasserprojekten geben, damit die Unternehmen sich auf kommende Projekte einstellen und entsprechend planen können.

Wie trägt Ihre Organisation, das Middle East Water Forum, dazu bei?

El Naser: Die Wasser-Probleme im Nahen Osten können auf keinen Fall innerhalb nationaler Grenzen gelöst werden. Man muss sie auf der regionalen Ebene angehen, auf der Länder Daten, Erfahrungen und innovative Technologien austauschen. Das bedingt einen integrierten Ansatz, um allen Ländern der Region Wissen zur Verfügung zu stellen, das Bewusstsein zu stärken und sie mit dem Rest der Welt zu verbinden.

Das Middle East Water Forum dient als Plattform im Einklang mit den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) und der Partnerships for SDGs Online-Plattform. Die Idee ist, die Verbreitung dieser Informationen zu fördern, die eine zukünftige Zusammenarbeit zwischen Verbrauchern, Stakeholdern und Industrien ermöglichen. Wir wollen dabei verschiedene Interesse einbeziehen, inklusive aber nicht beschränkt auf Experten, Industrien, den Privatsektor, Organisationen und die Wissenschaft.

Zusätzlich agiert das Forum als Knotenpunkt für Trainings und Ausbildung.

Herr Dr. el Naser, vielen Dank für das Gespräch.

 

Dr. Hazim el Naser
ist Gründer und Vorsitzender des Middle East Water Forum. Zuvor war el Naser unter anderem Minister für Wasser und Bewässerung sowie Minister für Landwirtschaft in Jordanien.
hazim.elnaser@mewf.de
www.mewf.de